Hansjörg Enz: 2021 – mein bisher bester Projektbesuch im Kongo
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„Das war meine beste Projektreise! Zufrieden, ja glücklich bin ich am 26. Juni aus dem Kongo zurückgekehrt. Höhepunkt war der Beginn der Bauarbeiten am 22. Juni. Die Reise stand von Anfag an unter einem guten Omen, denn bereits die Visa-Erteilung war eine Überraschung…
Visa gratis
Vor meiner Kongoreise machen Anita und ich einige Tage Ferien im Welschland. Gute Gelegenheit, in Bern Halt zu machen und das Visum gleich direkt in der in der kongolesischen Botschaft abzuholen.
Ich biege in den Sulgenheimweg ein, sehe von weitem zwei Personen auf dem Trottoir. Vor der kongolesischen Botschaft mühen sich ein älterer Herr in einem in die Jahre gekommenen schwarzen Anzug und eine Frau im besten Alter, damit ab, etwa 2 Meter hohe Plexiglasscheiben von einem Holz-Pallet aufzuheben. Ich grüsse herzlich, biete an zu helfen. Sie nehmen dankbar an und so helfe ich Therèse – wie sich herausstellt die „premier conseiller“ der Botschaft die Plexiglascheiben ins Haus zu tragen. Dann verstauten ich noch das Palette in der leer stehenden Garage.
Der Herr Botschafter ist froh, dass ihm die Arbeit abgenommen wird, er ist nicht mehr allzu gut zu Fuss. Ich erzähle von unsrem Schulhaus im Kongo, zeige Bilder davon, frage den Herrn Botschafter, ob er nicht bald in Pension gehen könne. Ich schätze ihn auf etwa 75. „Nein“, meint er, „leider nicht möglich“. Später erfahre ich, dass der Kongo seine Botschaft lausig bezahlt. Das zeigt auch die Botschafter-Villa, die schon viel bessere Tage gesehen haben muss. Er fragt, für wie lange ich denn in den Kongo wolle. Dann gibt er Therèse einen Wink, sie nimmt meinen Pass, klebt ein Visum hinein, unterschreibt schwungvoll. Wie ich zahlen will, winkt sie ab. „Dieses Visum ist gratis“. Der Herr Botschafter nickt. Ich danke überschwenglich. Das Visum zeigt, dass ich 113.- Franken gespart habe. Wenn dieses Geschenk kein gutes Omen ist für diese Kongo-Reise…
4 Tage für die Reise in den Kongo
Normalerweise dauert die Reise Frauenfeld nach Bukavu etwa 30 Stunden, diesmal waren es 4 Tage. Zum ersten Mal hatte ich das Flugticket via Goma, die Hauptstadt des Nordkivu gebucht. Von dort aus wäre ich mit dem Schiff über den Kivusee nach Bukavu gelangt. Am 23. Mai brach der Vulkan Nyiragongo aus, begleitet von unzähligen Erdbeben. Ein Lavastrom von etwa 100 Metern Breite ergoss sich vom Vulkan bis in die Vororte von Goma hinein, begrub Hunderte Häuser unter sich und machte Tausende obdachlos. Der Flughafen Goma wurde geschlossen.
Also buchte ich um, Reise via Kigali, Rwanda. Das bedeutete: Am Dienstagnachmittag mit einem gültigen Covid-Test aus der Schweiz nach Frankfurt, nachts weiter nach Addis, dort nach 6 Stunden Warten weiter nach Kigali. Für die Einreise in der rwandischen Hauptstadt musste man einen Covid-Test vorweisen und eine Hotelreservation. Nach der Zollkontrolle wurden nämlich alle Reisenden von einem Team empfangen und zu einem weiteren Test geführt. Nach dem Test ging’s ins gebuchte Hotel, wo ich auf das Testergebnis warten musste. Das traf zwar schon um 23h ein, zu spät, um den Weiterflug noch umzubuchen. So traf ich dann erst am Freitagmittag in Bukavu ein. Auf der Reise hatte ich genug Zeit, um nochmals die Liste zu studieren, mit all den Aufgaben zu studieren, die es zu erledigen gab in den kommenden drei Wochen.
Projektanpassung bis Baustart in zwei Wochen
Was in den folgenden Tagen möglich wurde, kommt mir vor wie ein kongolesisches Wunder: Am Sonntag, 6. Juni die Diskussion mit dem Schulteam, das sehnlichst einen grösseren Saal wünscht als im Bauprojekt vorgesehen. Genau eine Woche später, am Sonntag 13. Juni konnte ich den Vertrag mit der Baufirma Bâtisse d’Avenir abschliessen. Am Samstag 19. Juni soll die Grundsteinlegung für die neuen Bauten stattfinden, aber schon am 15. Juni begleite ich Joël, den Chef von Bâtisse, für Vorbereitungsarbeiten auf der Baustelle. Bis es soweit war, waren einige Treffen nötig und die fanden alle statt und zwar immer zur abgemachten Zeit, so etwas habe ich noch nie erlebt im Kongo. Was war zu tun?
Ohne Backsteine kein Bau
Am Montag, 14. Juni trafen wir Madame Claudine, die Lieferantin der Backsteine, ohne sie können wir nicht bauen dieses Jahr. Wir hatten vor langer Zeit entschieden, dass wir diesmal nicht mit traditionellen Backsteinen bauen, sondern mit Backsteinen von SKAT. SKAT ist ein Schweizer Unternehmen, das in Ruanda, Burundi und Kongo seit über vier Jahren ein Entwicklungshilfeprojekt umsetzt, das von der Eidgenossenschaft finanziert ist
Ziel: Solideres und einfacheres Bauen mit Backsteinen mit Löchern. Während in Ruanda bereits sehr viele Bauten mit SKAT/proecco Technik gebaut worden sind, gibt es im Kongo erst seit diesem Jahr erste Baustellen, wo mit dieser Technik gebaut wird. Neuerungen dauern im Kongo immer etwas länger. Viele Architekten haben an Kursen teilgenommen, wo SKAT die Technik vermittelte. Aber kaum einer konnte Bauherren überzeugen damit zu bauen; das hat auch zur Folge, dass erst eine Fabrik existiert, die diese neuen Backsteine herstellt. Zwei weitere sollen dieses Jahr dazukommen. Also dringender Besuch bei Mme Claudine. Nach längerer Diskussion verspricht sie, dass am 10. Juli die ersten 25 000 Backsteine bereit sind. Das wäre perfekt, bis dann dürften Fundamente stehen, auf denen gebaut werden kann.
Ziel: Solideres und einfacheres Bauen mit Backsteinen mit Löchern. Während in Ruanda bereits sehr viele Bauten mit SKAT/proecco Technik gebaut worden sind, gibt es im Kongo erst seit diesem Jahr erste Baustellen, wo mit dieser Technik gebaut wird. Neuerungen dauern im Kongo immer etwas länger. Viele Architekten haben an Kursen teilgenommen, wo SKAT die Technik vermittelte. Aber kaum einer konnte Bauherren überzeugen damit zu bauen; das hat auch zur Folge, dass erst eine Fabrik existiert, die diese neuen Backsteine herstellt. Zwei weitere sollen dieses Jahr dazukommen. Also dringender Besuch bei Mme Claudine. Nach längerer Diskussion verspricht sie, dass am 10. Juli die ersten 25 000 Backsteine bereit sind. Das wäre perfekt, bis dann dürften Fundamente stehen, auf denen gebaut werden kann.
Berater Xaverianer-Pater Franco Bordignon
Auf Lohnerhöhung hatte auch Pater Franco Bordignon gedrängt. Franco ist nicht nur der «Hotelier» bei den Xaverianer-Mönchen, bei denen ich hier bereits zum vierten Mal wohnen darf. Er hat in seinen 50 Jahren hier im Kongo unzählige Kirchen und Schulen gebaut. Franco war bereit, Pläne, Kosten-Voranschlag und Verträge im Zusammenhang mit unserem Bau zu prüfen. Er zeigte sich sehr angetan von der Arbeit von Bâtisse, die Verträge nannte er gar «perfetto», ausser eben: Zahlt dem lokalen Bauleiter einen Lohn, der ihn anspornt.
Dank an Franco, das gibt auch uns eine gewisse Sicherheit, dass unser Bau auf guten Wegen ist. Denn: Wir sind hier im Kongo. Franco und unsre Leute vor Ort kennen unzählige Bauvorhaben, wo gestohlen, getrickst, bestochen wurde, wo am Ende das ganze Geld weg, aber gar nichts oder allenfalls einen Bauruine zu sehen war!!
Wiedersehen mit der Schule
Am Samstag Fahrt nach Ikoma mit Joël und Christian von Bâtisse. Ziel an diesem Tag: Dem Schulteam und VertreterInnen des Elternkomitees den letzten Stand der Planung mitteilen. Noch wichtiger heute: Wir treffen die lokalen Behörden, allen voran den traditionellen Chef du groupement. Nur mit seiner Zustimmung und damit dem Schutz des Dorfes können wir beruhigt bauen. Der 79jährige ist sehr erfreut über unser Vorhaben, teilt uns auch mit, dass seit Mai auch eine Art Baubewilligung nötig ist, die 20 oder 30 USD kosten wird. Als kleine Aufmunterung stecke auch ich ihm beim Abschied einen 20-Dollar-Schein zu. Das wird sofort bemerkt, also erhalten auch alle Mitglieder des Elternkomitee einige Tausend Francs zugesteckt(1 USD = 2000 francs congolais).
Einzäunung oder Wege in der Anlage
Das Schulteam ist sehr erfreut, als wir ihnen im Gelände die Dimension des Mehrzwecksaales zeigen. Der Saal wird 10 x 13 Meter gross, genug für etwa 180 Sitzplätze. Eine längere Diskussion entspannt sich um das Thema Einzäunung des Schulareals. Bereits vor zwei Jahren hatten wir Geld bewilligt, um einen Hag rund um das Gelände zu bauen. Als dann klar wurde, dass wir nochmals bauen, stoppten wir den Bau des Hages auf halbem Wege. Frage war jetzt: nur das fehlende Teil bauen oder die ganze Einfriedung laut den Plänen von Bâtisse. Wissend dass wir uns jetzt schon am Rande unserer finanziellen Möglichkeiten bewegen, setzte ich mich dafür ein, nur das fehlende Teil zu bauen. Ich wollte sie überzeugen, mit dem gesparten Geld Wege zu bauen in der Anlage. Die sind im Bauprojekt nicht vorgesehen, aber eigentlich dringend nötig, da es während etwa 9 Monaten täglich regnet und der Schulhof dann ein Matschfeld wird.
Ich biss auf Granit. Wir suchten dann nicht den Kompromiss, sondern – wie im Lehrbuch der Organisations-Entwicklung – die dritte Lösung. Die VertreterInnen des Dorfes und der Elternschaft erklärten sich bereit, Kies und Steine für die Wege beizusteuern und Frondienst für den Wegebau zu leisten. Im Gegenzug gibt es den schönen hohen 200 Meter langen Zaun.
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