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Tag 1: Dienstag, 3. Dezember 2019 – Ankommen im Kongo
Ankunft in Bukavu
Via Kigali bin ich in Bukavu angekommen. Ein Fahrer hat mich an der Grenze abgeholt und zu den Frères Xavérien gebracht. Dort habe ein Zimmer mit Strom, Internet und einer Dusche, die funktioniert, ziemlich sicher die einzige Unterkunft mit diesem Komfort in dieser Stadt mit geschätzten 800 000 Einwohnern. Vom Zimmerfenster aus: Blick auf den Kivu-See – ein Paradies. Wie letztes Jahr wohne ich bei den Frères Xavériens, italienischen Missionaren, die seit über 50 Jahren hier arbeiten. Ihre gepflegte Anlage hinter hohen Mauern besitzt Unterkünfte, Werkstätten, zum Beispiel für Autos, Versammlungs- und Sitzungsräume und eine Kapelle. Padre Franco leitet die Geschäfte. Er hat viel gesehen in den 50 Jahren, die er hier lebt und arbeitet. Beim Nachtessen am ersten Tag erzählt er von den Kongokriegen (1995 bis 2005) mit mehreren Millionen Toten. Er erzählt, wie Kagames Truppen aus Rwanda in der Gegend einmarschierten um die „génozidaires“ zu jagen, Hutu, die über die Grenze geflohen waren. 1994 hatten die Hutu in nur hundert Tagen Hunderttausende Tutsi umgebracht.
Als die ruandischen Soldaten in hier angekommen seien, hätte sich die kongolesische Armee aus dem Staube gemacht und offenbar auch viele der Täter. Trotzdem hätten die Soldaten Tausende getötet, auch Frauen und Kinder, die Leichen hätten tagelang in den Strassen gelegen.
Die Xavériens, benannt nach dem heiligen François Xavier, haben hier Strassen, Schulen Sanitätsposten gebaut; sie betrieben Viehwirtschaft und Kaffeeplantagen, die alle verschwunden sind. Sie bilden auch immer noch einheimische Priester aus, so kann der Orden weiter bestehen, weil es kaum mehr italienischen Priesternachwuchs gibt.
Unser Projekt – Stand der Arbeiten
Bevor ich die Grenze überquerte, traf ich Clint, einen jungen Schweizer Architekten, der in Nepal Schulen gebaut hat und der im Südkivu bei der St. Galler Firma SKAT im Projekt „proecco“ arbeitet. Proecco ist von der DEZA finanziert und propagiert neues Bauen in Burundi, Ruanda und im Kongo mit lokal hergestellten Backsteinen, die weniger Zement brauchen. Den ersten direkten Kontakt mit SKAT / Proecco hatte ich im Dezember 2018. Es wurden danach Bodenproben genommen dort, wo unser Schulhaus steht. Leider hat sich gezeigt, dass unser Boden nicht geeignet ist für die Produktion von Backsteinen. Wir werden trotzdem mit Proecco-Backsteinen arbeiten, die von einer lokalen Firma in der Nähe hergestellt werden. Proecco wird einen Architekten und Maurer ausbilden und den Bau begleiten.
Clint hat unsere Schule besucht und eine Skizze für die Erweiterung unsrer Schule gezeichnet: zwei neue Gebäude, eines für die Primarschule, ein zweites ist nutzbar von der Schule, ist aber vor allem gedacht für die lokale Bevölkerung als Versammlungslokal, für Hochzeiten oder als Ausbildungsort für junge Leute. Das Raumprogramm haben unsre Leute mit dem Schulteam, dem Elternkomitee und Autoritäten des Dorfes vorbesprochen. Natürlich gab es viele Wünsche, einen Kindergarten, eine Sekundarschule, ein Haus für Schulleiterin. Genaue Abklärungen während meines Aufenthaltes werden zeigen, was mit unsern beschränkten Mitteln möglich ist. Diese Klärung ist eine der wichtigen Aufgaben während meines Aufenthaltes.
Wie weiter mit unserem Agroprojekt
Seit der neue Präsident Tshisekedi verkündet hat, die Primarschule sei gratis, kommen die Eltern nicht mehr arbeiten. Der Hauptzweck des Agroprojektes – Familienmitglieder arbeiten um Schulgeld zu verdienen – fällt also weg. Die Hoffnung, dass Milondola Agro durch den Verkauf von Produkten und Tieren selbsttragend werde, hat sich auch nicht erfüllt. Wie also weiter? An der letzten Sitzung der Vereins Maendeleo in der Schweiz haben wir Möglichkeiten diskutiert: das Land verpachten, gar verkaufen? Der Lehrerschaft übergeben, damit sie anpflanzen und Tiere halten und so ihren kargen Lohn aufbessern können?
Den zwei Lehrern übergeben, die zwei Wegstunden von der Schule entfernt wohnen? Mit wenig Umbau könnte das traditionelle Haus, zusammen mit Haus und Stall, die wir in den letzten Jahren gebaut haben, zwei Familien beherbergen.
Wie ich im Bett liege, höre ich wieder die Stimme einer Frau, die vorbeiging, als ich hier ankam. Sie trug ein Plastikbecken auf den Kopf mit Avocados, die sie verkaufen wollte. Sie rief mit hoher durchdringender Stimme „nous avons faim“, immer wieder „wir haben Hunger“, noch im Zimmer hörte ich sie rufen oder glaubte zu hören „nous avons faim“.
Tag 2: Mittwoch, 4. Dezember 2019 – Situationsbericht
Situation in Bukavu
Heute will ich die Stadt ansehen, in der ich zweieinhalb Jahre gelebt und gearbeitet habe. Und es ist wie immer, wenn ich nach Bukavu komme. In Windeseile spricht sich herum: Monsieur Hans ist wieder da! Schon vor der dem Tor der Xaverianer quatscht mich ein alter Bekannter an. Seine Frau brauche unbedingt eine Haut-Salbe, sie koste 10 Dollar, und er habe nach drei Tagen erst die Hälfte erbettelt. Eine halbe Stunde läuft er neben mir her. Er quatscht mich schliesslich so weich, dass ich ihm 5 Dollar gebe. Ich bitte ihn, mir doch morgen die Salbe zu zeigen und die Quittung der Apotheke.
Die Hauptstrasse – eine Baustelle
Von der Halbinsel Muhumba komme ich auf die Hauptstrasse, die ich seit 2008 kenne. Ich habe drei Mal miterlebt, wie sie renoviert wurde. Jedes Mal mit dem gleichen Resultat: ein Jahr darauf hatte sie wieder ebenso viele Löcher wie zuvor. Das meiste Geld wurde halt nicht gebraucht um Löcher in der Strasse zu füllen, sondern die Kasse einiger hoher Herren.
Diesmal scheint es aber ernst zu werden mit der Rehabilitation der Strasse, die von der ruandisch-kongolesischen Grenze durch die ganze Stadt führt. Vier verschiedene Baustellen auf etwa einem Kilometer. Arbeiter reissen die Strasse auf, ein gewaltiges Loch zeigt ein meterdickes Kanalisationsrohr. Grosse Steine auf der Fahrbahn behindern den Verkehr, eine Asphaltiermaschine steht dahinter, Berge von Lavasteinen liegen am Strassenrand, per Schiff aus Goma hergekarrt, um Löcher zu füllen. Dort, wo die Fahrbahn einigermassen intakt geblieben ist, weil aus Betonplatten gebaut, drücken Arbeiter eine Zementmasse in die Ritzen… Ein Passant erklärt, dass eine burundische und eine ruandische Firma einen Abschnitt von etwa zwei Kilometern renovieren in einer Art Wettbewerb. Der Sieger soll dann den Auftrag erhalten, 20 weitere Kilometer zu sanieren.
Schon bei der Einreise am Zoll war ich erstaunt: Die Betonbrücke, die über ein Flüsschen von Ruanda in den Kongo führt, und die seit 7 Jahren einfach so da stand, wird jetzt genutzt.
Autos fahren drüber, „Mamans“ tragen ihre Waren auf dem Kopf über die Brücke – nur die Invaliden, die früher Waren auf dreirädrigen Karen transportierten, sieht man kaum mehr.
Alte Bekannte
In der Stadt treffe ich zufällig Madame Sosthène Birali. Sie die Frau des Journalisten-Kollegen, der auch mithilft bei unsrer Schule. Sie ist auch Schulleiterin. Deshalb reden wir über ihre Schule. Auch hier zahlen die Eltern kein Schulgeld mehr, die staatlichen Löhne sind immer noch so tief wie zuvor, der Zuschuss der Eltern fehlt jetzt. Wie’s den Kindern gehe, den Töchtern, die studiert haben? Wie wohl? Alle drei sind zu Hause, Jobs gibt’s keine, nicht mal für die Medizinerin, quel malheur.
Und der Schneider Muganza, der schon einige Kleider für uns genäht hat, sitzt wie immer mit seinem Kollegen in seinem Kabäuschen. Zum ersten Mal seit ich mich erinnere, steht seine Nähmaschine still. „Seit der neue Präsident Etienne Tshisekedi im Amt ist, geben Leute kein Geld mehr aus“. Er kann auch keine Uniformen auf Vorrat schneidern. Er hat kein Geld für Stoff, zudem dürfen Schulen nicht mehr selbst Uniformen anbieten. Früher war er Lieferant mehrerer Schulen und hat jedes Jahr zusammen mit seiner Frau 800 Uniformen genäht. Wir diskutierten, dass er vielleicht nächstes Jahr Uniformen für unsere Schule schneidern könnte mit einem gestickten Logo „10 ans EP Milondola“. Er macht einen Kosten-Vorschlag.
Zakar, der Gitarrenbauer, ist immer noch im Centre Culturel Français, hat sich einen Verschlag gezimmert, einem Kasperlitheater ähnlich, und drinnen steht er. Ich sehe ihn von hinten, er dreht ich um, sieht schlecht aus, jammert, er sei 5 Monate krank gewesen, der Arzt habe ihm Ruhe verordnet. Die zehn Gitarren, mit denen er seine Schulden abzahlen wollte, baue er nächstes Jahr, ganz sicher. Comme toujours, Zakar mäandert, erklärt, aber nie kommt das bekannte meckernde Lachen über seine Lippen, ihm geht’s wirklich nicht gut.
Auf dem Heimweg hält ein Jeep neben mir, „Ah, regarde, Monsieur Hans, bienvenu“. Thaïs, Direktor des Radio Maendeleo, grüsst, er hat noch ein bisschen zugenommen, wenigstens ihm geht es gut, er lacht. Kollegen sagen, das Radio sei deutlich näher zur Regierung gerückt, seine Frau habe einen Job beim Gouverneur. Ob man das dem Programm anmerke oder ob die Leute das einfach unterstellen? Sei doch klar, meinen sie, im Kongo gebe es nichts gratis.
Fazit: Kongo bleibt Kongo, man lebt „au rhyhtme du pays“, zu einer ziemlich traurigen Musik.
Tag 3: Donnerstag 5. Dezember – Frère Paolo
Einige Patres hier bei den Xaverianern habe ich gekannt vom letzten Jahr. Frère Paolo sah ich zum ersten Mal, er ist hier in Bukavu in den Ferien. Er hätte dafür nach Italien gehen können, wollte aber nicht. «Ich will nicht mehr in Italien leben, ich gehöre hierher. » Er war früher schon hier, hat dann lange in Italien gearbeitet. Er hat auf die alten Tage darum gebeten, in den Kongo zurückkehren zu dürfen. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den Kindern, den Invaliden, die er in abgelegenen Dörfern betreut.
Und es ist schändlich, dass man sogar dann, wenn man Leute wie Paolo trifft, an die Geschichten über Priester denken muss, die Kinder missbraucht haben. Und dann denke ich, dass ich als ehemaliger Journalist der Tagesschau auch etwas dafür verantwortlich bin, wie Menschen die Welt wahrnehmen. Nachrichtensendungen berichten sehr oft über Negatives, und das prägt dann die Wahrnehmung der Zuschauer und weil in den letzten Jahren oft über Übergriffe von Priestern berichtet wurde, kommt sogar mir das zuerst in den Sinn. Dabei ist mir eigentlich klar, dass die grosse Mehrheit der Priester sich nie an Kindern vergreifen würde.
Erste Vorschläge für den Zusatzbau
Gegen Abend fahren wir über die Grenze nach Cyangugu in Ruanda. Wir besprechen uns mit Clint von Skat, der Organisation, die uns helfen kann mit neuer Technologie beim Zusatzbau in unserer Schulhaus. Wir haben Pierre mitgebracht, einen kongolesischen Architekten, der den Bau möglicherweise begleitet. Clint zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie man auf unsern Gelände zusätzliche Schulzimmer, vielleicht auch einen Saal für die Bevölkerung bauen könnte. Clint hat bereits in Nepal Schulen gebaut.
Der kongolesische Architekt ist erstaunt, als Clint erklärt, wie wenig ein m2 mit der SKAT-Bauweise kostet: «Mit unserer traditionellen Bauweise rechnen wir mit rund 450 USD/m2, fast doppelt so viel».
Bei mir kommt wieder einmal die Angst hoch: sind unsere einheimischen Partner bereit, nicht den ersten grosszügigen Vorschlag schon als die Lösung anzusehen und mich dann darauf zu behaften? Sind sie bereit, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen und erst dann zu entscheiden? Denn beim Abschied frage ich Clint, wie viel zwei Gebäude denn etwa kosten. Mir wird klar, dass wir uns beschränken und Leute enttäuschen müssen.
Tag 4: Freitag, 6 Dezember – Bertin, Arc-en-Ciel
Am Morgen kommt Bertin, der Journalist, den ich seit 10 Jahren kenne. Er war beim ersten Journalistenkurs der Deutschen Welle Akademie in Bukavu dabei. Seither sind wir im Kontakt, helfen ihm mit Ausrüstung, im Gegenzug produziert er Videos, dreht für unser Projekt (siehe z.B. « fille chez elle » auf dieser Homepage).
Ich hatte für seine Kinder einige Duplo-Steine mitgebracht, er sagt mir anderntags, seine Kinder hätten bis 23 Uhr damit gespielt.
Wie ich aufbrechen will, kommen die Musiker von « Arc-en-Ciel », der Band, der wir vor Jahren Instrumente und eine Verstärkeranlage gekauft haben. Letzten Dezember habe ich mit ihnen einen Song für unsere Schule aufgenommen. Sie erzählen, dass das Studio, wo wir das Lied aufgenommen haben, ausgeraubt worden ist. Die Geschichten wiederholen sich. Genau das gleiche geschah im Studio, wo wir vor einigen Jahren « Blablaba » aufgenommen haben, quel pays.
Radio Maendeleo
Ein Lichtblick war der Besuch bei Radio Maendeleo, bei dem ich 2008 bis 2010 für Eirene gearbeitet habe. Das Radio hat überlebt, obwohl die letzte Direktorin massiv Geld veruntreut und das Radio an den Rand des Ruins gebracht hatte. Zuletzt streikten die JournalistInnen, so lange, bis der Verwaltungsrat die Direktorin entliess. Um das Radio zu retten, verzichteten die JournalistInnen auf einen grossen Teil der Löhne, die 17 Monate nicht ausbezahlt worden waren. Sie verloren zudem die ganzen Gelder, die sie in eine Art Pensionskasse einbezahlt hatten und akzeptierten eine Lohnkürzung von 50%. Gerettet hat sie schliesslich die DEZA, die Schweizer Entwicklungshilfe. Sie unterstützt Radio Maendeleo weiterhin, und so ist Radio Maendeleo das meistgehörte Radio im Südkivu geblieben.
In der Unterkunft lese ich auf der Homepage von „Debout Congolaises“ die Rede von Friedens-Nobelpreisträger Denis Mukwege, die er am 2. Dezember vor der französischen Nationalversammlung vorlesen liess. Er selbst konnte nicht teilnehmen, er war nach Bukavu geflogen zur Beerdigung seiner Mutter. Schon der Titel spricht für sich:
„Man baut keinen Frieden mit den Henkern in Uniform, die ihre Opfer jeden Tag einschüchtern“.
Mukwege war eingeladen an ein Kolloquium, wo es darum ging ein internationales Gericht einzuberufen zu den Kriegsverbrechen im Kongo. Er klagt an: “Die Kriminellen werden geschützt von der höchsten Ebene des Staates und dem höchsten Niveau der Sicherheitskräfte und der Armee (…), sie haben systematisch ihren schlechten Willen bewiesen, um das Chaos und ihre Privilegien zu behalten, (…) Armee und Sicherheitskräfte sind dafür bestimmt, die Interessen des Regimes und ihrer Günstlinge zu beschützen und nicht die Bevölkerung, das Gesetz und die Integrität des Landes“. *
Starke Worte eines Mannes, der 2012 nur deshalb einem Mordanschlag entging, weil sich ein Sicherheitswächter vor ihn stellte und dabei umkam.
Kaum fertig gelesen höre ich draussen wieder die Stimme der Frau, die gerufen hatte „nous avons faim“. Diesmal trug sie Maniokwurzeln in ihrem Plastikbecken auf dem Kopf. Ich rief sie zurück, kaufte ein Dutzend der erdverkrusteten Wurzeln, verteilte sie an Leute, die jeden Tag vor dem Tor der Xaverianer warten. Auf dem Weg zurück schüttelte es mich, ich habe geweint, „quel malheur“. Habe ich das Recht zu weinen, ich, der ich zu den Privilegierten dieser Welt gehöre?
Tag 5: Samstag, 7. Dezember – Auf zur Schule
Wir haben auf Samstag 7 Uhr abgemacht. Schon um zehn nach sieben holt Fiston, unser Koordinator, mich ab, nur 10 Minuten später als abgemacht, das ist hier absolute Spitze! In Bukavu sind die Strassen besser geworden, einige Hauptachsen sind jetzt asphaltiert. Wir nehmen den Weg über Bagira und sind so bald auf Strassen, wo Fiston wieder beweisen kann, dass er „der beste Chauffeur im Kongo“ ist .
Der Strassenbelag besteht aus Laterit. Wenn der Belag neu, gut verdichtet und unterhalten ist, gibt das – wenigstens bei trockenem Wetter – eine stabile Fahrbahn. Hier regnet es allerdings derzeit jeden Tag, und der Lateritstaub wird zu einer schmierigen Schicht. Fahren darauf ist vergleichbar mit Fahren auf Glatteis. Ich habe das selbst erlebt, als ich hier lebte, von 2008 – 10, bin ich oft selber gefahren.
Für die 30 Kilometer bis zur Schule brauchen wir gut zwei Stunden. Weil es geregnet hat, fahren wir durch tiefe Wassergräben, manchmal steigen wir aus, prüfen mit einem Stecken, wie tief das Wasser ist. Wir kommen an einem Lastwagen vorbei, der stecken geblieben ist.
Wie wir ankommen, sind die Schüler noch daran, die Quartalsprüfungen abzulegen. Prüfungen entscheiden darüber, ob die Schüler am Ende des Schuljahres weiterkommen oder sitzenbleiben. Nach einer Statistik des kongolesischen Erziehungsministerium schaffen nur 16% der Kinder die 6. Klasse ohne zu wiederholen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, nur etwa die Hälfte der Schüler erreicht überhaupt je die 6. Klasse. Die andern hören früher auf, meist, weil die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können. Das ist im ganzen Kongo so. Warum das auch bei uns so ist, wo die Eltern statt Schulgeld zu zahlen arbeiten können auf unsern Feldern oder eine Ziege hüten, ist mir nicht klar. Und wie das weitergeht, seit der Staatspräsident die Schulen für gratis erklärt hat, weiss eh keiner…
Mit dem Architekten, der uns begleitet, besprechen wir, wo das oder die neuen Gebäude zu stehen kommen könnten. Wir bitten ihn, auf Grund der Gespräche mehrere Vorschläge zu machen. Die Schule ist in ordentlichem Zustand. Wenn wir nächstes Jahr bauen, ist es trotzdem sinnvoll auch einige Renovationsarbeiten an den bestehenden Gebäuden auszuführen. Weil wir Boden hinzukaufen konnten, wird auch der Pausenplatz neu gestaltet. Dann zieht Regen auf, die Kinder singen zum Abschied den Song „Milondola“, den wir letztes Jahr mit der Band Arc-en-Ciel komponiert und aufgenommen haben.
Sonntagsruhe. Zeit am Tagebuch zu schreiben. Mehrmals klopft Emmanuel, der Portier an meine Türe. Ich bin endgültig entdeckt, Antiquitätenhändler möchten mir etwas verkaufen. Nach dem Gottesdienst möchte ein junger Mann unbedingt mit mir reden. Ich klemme ihn ab, ich mag keine Geschichten mehr hören von Brillen, die gekauft werden müssen, Salben für die leidende Frau, Schulgeld für die Universität, eine Reise nach Hause, um ein Dokument zu holen für eine Bewerbung. Diese Geschichten mögen alle stimmen oder auch nicht, und Leid und Armut sind hier Alltag. Erstaunlich ist allerdings, dass nur Männer jammern kommen. Ich erkläre ihnen, dass ich hier eine Schule unterstütze und dass ich den Kongo nicht retten kann.
Am Abend gehe ich mit zwei belgischen Video-Journalisten, die gestern bei den Xaverianern eingetroffen sind, zu Carlos Schuler. Er lebt seit über 30 Jahren im Kongo. Während der Kongokriege war er einer der wenigen Weissen, die im Kongo geblieben sind. Ihm als Chef und seinem Team aus Parkwächtern, meist Pygmäen, ist es zu verdanken, dass die Gorillas in Kahuzi-Biega-Nationalpark überlebt haben. Christine Deschrijver, seine Frau, leitet in Bukavu die „City of Joy“, ein Dorf, wo vergewaltigte Frauen eine Ausbildung machen können. Sie ist seit Jahren international unterwegs, um auf die unglaublichen Verhältnisse im Kongo aufmerksam zu machen. All das ist nachzulesen im Carlos’ Buch „Leben und Überleben im Kongo“.
Die DEZA in Bukavu
Später am Abend stösst noch ein Schweizer zur Runde: Jean-Luc Virchaux, Chef des DEZA-Büros. Er ist bereits der 5. Chef des Büros, das 2010 in Bukavu eröffnet wurde. Ich habe alle seine VorgängerInnen kennen gelernt, der erste ist ein knappes halbes Jahr geblieben, die einzige Frau auf diesem Posten immerhin 4 Jahre. Bukavu ist ein hartes Pflaster, darum ist es nicht einfach jemanden zu finden, der hierher kommt. Jean-Luc ist der erste auf diesem Posten, der wirklich lange internationale Erfahrung hat und auch wagt, die katastrophalen Verhältnisse hier öffentlich anzusprechen, sowohl gegenüber der lokalen Obrigkeit, die sich schlicht nicht um die Bevölkerung kümmert, als auch gegenüber der UNO, die im Kongo die grösste je gesehene Mission unterhält. Jean-Luc sprüht vor Energie und Ideen, aber leider wird auch er im März nach nur zwei Jahren den Posten wieder verlassen, er wird pensioniert.
Tag 7: Montag, 9. Dezember – Fast-Ruhetag
Wie das so ist im Kongo, manchmal ist wenig los, man erreicht Leute nicht, sie kommen später als erwartet oder gar nicht. Daran muss und kann man sich gewöhnen. Wenn man länger hier ist, gelingt das recht gut. Seit ich nicht mehr oft in Afrika bin, brauche ich einige Tage, um in den Afrika- Rhythmus zu kommen, in den rhythme du jour.
Dann kam der Schneider Muganza vorbei. Wir kennen ihn seit bald 10 Jahren. Wir vereinbaren, dass er jedem unser SchülerInnen eine Uniform schneidert zum Jubiläum.
Ein neues Lied
Dann kommen noch die Herren der Band Arc en Ciel, das Geschäft läuft schlecht, sie spielen ein, zwei Mal pro Woche, teilen die Gage durch 12 Musiker und Tänzer und gehen um Mitternacht nach Hause, mit vielleicht 10 USD und davon muss die Familie leben. Wir beschliessen bei Carlos ein Bier trinken zu gehen. Dann versucht einer, die Charleston-Figur zu machen, bei der man Arme und Beine kreuzen muss. Das habe ich oft in Kursen vorgemacht, niemand hat’s bisher geschafft. Ich sage ihnen, ich zeig’s ganz langsam, eins nach dem andern. Dann die Idee, wir machen ein Lied daraus. Und es entsteht der Text zum Lied „les genoux croisés“.
Morgen Dienstag wollen wir die Melodie „ersingen“, dann Aufnahme und Video, ein neuer Tanz-Welt-Hit wird geboren…
Tag 8: Dienstag, 10. Dezember 2019 – La chanson de Genoux croisés
Ich bin zum Warten verurteilt, was mir nicht besonders liegt. Unser Koordinator Fiston und der Buchhalter Nielsen arbeiten für einen symbolischen Betrag von 600 USD pro Jahr für uns. Beide haben feste Anstellungen bei internationalen NGOs, stehen nur am Wochenende und nach der Arbeit zur Verfügung. Fiston hat erst seit einem Monat wieder eine Stelle bei Search for Common Ground (SFCG), einer grossen amerikanischen NGO, die im Bereich Konfliktbearbeitung in 38 Ländern arbeitet. Ich kenne Search erst seit 2005. Damals machte ich die Schlussarbeit meines Studiums an der FU Berlin (lic.rer.publ.) bei Radio Isanganiro in Bujumbura, Burundi. Mich interessierte, wie es Journalisten in Zeiten des Bürgerkrieges gelingen kann, nicht-parteiischen Journalismus zu machen. In Burundi begann 1993 ein (neuer) Bürgerkrieg zwischen Hutu und Tutsi, der erst 200? mit dem Friedensvertrag von Arusha (offiziell) zu Ende ging.
Am Nachmittag kommen die 3 Musiker von Arc-en-Ciel, um an unserm Lied zu arbeiten. Am Montag hatten wir einen Text erarbeitet, ich habe ihn gestern noch ergänzt. Jetzt geht es darum, den Text singbar zu machen, dazu sind Anpassungen nötig, damit Rhythmus, Melodie und Text eine Einheit bilden. Das geht am besten, in dem wir alles singend wiederholen, bis das Ganze groovt. Beim Ersingen erlebe eine kleine Genugtuung. Schon letztes Jahr haben wir ein Lied erarbeitet. Bei der Aufnahme im Studio schaffte ich es nicht, den Einsatz für meine Stimme zu finden, das Lied hat einen afrikanischen Rhythmus, ich brauchte einen Kollegen, der mit den Einsatz gab: „Jetzt“ und auch dann landete ich rhythmisch im Acker. Diesmal war es umgekehrt, der Rhythmus des neuen Liedes ist „europäischer“ und jetzt haben meine Kollegen Mühe, Text und Melodie auf die Reihe zu bringen. Wir üben drei Stunden, es beginnt zu swingen. Morgen noch ein Probe, dann Studio und hoffentlich schaffen wir’s noch, ein Video zu drehen, bevor ich abreise.
Am Abend Treffen mit Fiston, Nielsen und Bertin, Lagebesprechung, was gibt es als nächstes zu tun. Ich informiere darüber, dass am Freitag Fatou Dieye, die Chefin von Skat in der Region der Grossen Seen nach Bukavu kommt. Sie ist eine erfahrene Architektin, die uns bestimmt helfen kann, gute Lösungen für unsern Zusatzbau in Ikoma zu finden.
Tag 9: Mittwoch 11. Dezember – 10 Jahre DEZA in Bukavu
Ruhiger Morgen. Statt um 13h kommen die ersten 2 Musiker von Arc-en-Ciel um 14h, wir warten auf Prince, den Boss, beginnen dann am Lied zu feilen, 3 stimmiger Gesang mit ziemlich viel Text, nicht einfach. Prince läuft ein um Viertel vor drei, wir üben noch eine halbe Stunde, dann Treffen mit Thierry, seit bald drei Jahren Chef des Swiss-Contact-Pogrammes in Bukavu. Das Programm macht handwerkliche Ausbildungen für Kongolesinnen, bitter nötig, denn Lehrlingsausbildungen gibt es im Kongo nicht. Er stellt in Aussicht, dass Swisscontact in Ikoma ausbilden könnte und vielleicht sogar etwas beisteuern zum Bau eines Raums, wo die Ausbildungen stattfinden könnten. Tönt gut.
Dann ins Hotel Residence, wo die DEZA 10 Jahre Arbeit im Südkivu feiert. Das Hotel ist ein Meisterwerk kongolesischer Baukunst, diese Kunst besteht darin, dass man ein Hotel so schrottig bauen kann und es trotzdem nicht zusammenfällt. Geschätzte 10 gewundene Treppen geht es hinunter bis zum Festplatz am See. Beim Treppensteigen empfiehlt es sich, sich am Handlauf festzuhalten, denn fast jede Treppenstufe ist individuell gestaltet, in der Höhe meine ich, das ist für Ungeübte nicht einfach. Das ist für uns, die wir gewöhnt sind, dass alle Treppenstufen gleich hoch sind, nicht einfach. Die Gefahr ist gross, dass wir bei unterschiedlichen Höhen ins Stolpern kommen.
Viele Gäste sind da, DEZA-Chef Virchaux hält eine launige Rede, dann spricht der Schweizer Botschafter darüber, welche Taten die DEZA hier vollbringt, mit den üblichen Versatzstücken des Vokabulars der internationalen Hilfe, die sich gerne Zusammenarbeit nennt. Dann lobt der Vize-Gouverneur die Schweiz, und dann gibt Petrus dem fröhlichen Treiben eine Wende, indem er die Himmelschleusen weit öffnet. Alle Leute suchen einen Platz „am Schärmen“ vor der Bar, und dann Raclette, Schweizer Wein, Schweizer Fähnchen, dann zurück nach Muhumba im Stau und ein Feierabend-Bier mit Thierry.
Tag 10: Donnerstag, 12. Dezember – the thing starts flying
Ich erwache nachts um drei. Da ist die Idee, ich schreibe auf: Wir trennen die beiden Bau-Vorhaben. Der Zusatzbau zur Schule bleibt Sache des Vereins, wir finanzieren diesen Teil voll, der Mehrzwecksaal aber, salle polyvalente und die Berufsausbildung, die darin stattfinden soll, wird Sache der lokalen Partner-Organisation. Davon finanzieren wir einen Teil, den Rest versuchen sie bei Swiss-Contact zu holen. Gelingt es nicht, bauen wir nur den Zusatzbau Schule.
Um 4 Uhr erreicht mich das Mail der Koordinatorin der SKAT in Kigali. Sie kommt heute nach Bukavu und möchte mich treffen. Vorgesehen war Freitag oder Samstag, nur am Jahresende ist in der EZ (Entwicklungszusammenarbeit) immer viel los. Geld für 2019 muss noch rasch ausgegeben, das Programm fürs nächste Jahr muss fertiggestellt werden. Bald machen sich die Expats auf in die Weihnachtsferien, nach Hause oder mit den neuen Freundinnen nach Madagaskar…
Augustin
Um 11h kommen die ersten zwei Lehrer unsrer Schule. Ich gebe ihnen je eines der Tablets, die Bruno Fink auftreiben konnte, für die beiden wie Weihnacht und Ostern zusammen. Ich rede mit ihnen übers vergangene Jahr, sie sind sehr zufrieden mit unsern Leuten vor Ort, mit Fiston und Nielsen. Dann kommt der Wächter mit einem Zettel, geschrieben von Augustin, mit grosser krakeliger, aber lesbarer Schrift. Er ist hier mit seiner Frau, dem kleinen Bruder, zwei weiteren Personen. Er sitzt im Bus, abgemagert, grüsst herzlich, kann nach seinem schweren Töffunfall mit künstlichem Koma, wieder zusammenhängend reden, wochenlang konnte er nicht mehr reden, dann lange zusammenhanglos. Sein Hirn erholt sich. Gehen kann er noch nicht. Sie bitten um 200 Dollar, um Untersuchungen zu machen, Vorbereitungen für eine Operation, damit er wieder laufen lernen kann. Mit dem Geld fahren sie in die Klinik, wollen uns bald berichten, wie es weiter gehen kann. Wir bestätigen nochmals, dass wir seinen Lohn weiter zahlen, dass wir auch versuchen werden, ihn weiter zu beschäftigen.
Ab zirka halb 12 ist das ganze LehrerInnenteam da. Unter einem Dach am See reden wir über: Wie weiter mit der Landwirtschaft, deren Hauptzweck (Verdienst für Familien um Schulgeld zu zahlen) nicht mehr existiert, seit der Staatspräsident versprochen hat die Lehrerlöhne zu erhöhen auf 100 statt 70 Franken pro Monat. Wir legen weiterhin 20 drauf. Sie sind zufrieden mit der „Lohnerhöhung“.
Wie weiter mit der Landwirtschaft
Sie schlagen vor, die Landwirtschaft radikal umzubauen im Marais, der fruchtbaren Ebene, wollen sie Zuckerrohr pflanzen, am Land am Hang Eukalyptusbäume, beides rentiere und brauche wenig Aufwand. Längere Diskussion, was mit den Tieren geschehen soll. Idee heute: Alle Tiere verkaufen, das Geld dann brauchen, um den Stall so einzurichten, dass dort Absolventen unsrer Schule ausgebildet werden können. Das Lehrerteam zusammen mit Amafaranga und Emanuel vom Elternkomitee sind bereit, beides in eigener Regie zu machen, ohne Zuschuss aus der Schweiz. Sie wollen die Idee bis zum Jahresende konkretisieren und uns vorlegen. Super, das Projekt geht in die Obhut der Leute vor Ort über, was kann Besseres geschehen?
Dann Abschied, davor verliest ein Lehrer ein rührendes Dankesschreiben, schneller Abschied.
Weiter ins Restaurant Orchids zum Treffen mit Fatou Dieje von Skat. Sie stellt sich als die fachlich kompetente und aufgestellte Hammerfrau heraus, wie sie mir von Clint beschrieben wurde. Sie ist in den USA aufgewachsen als Tochter einer Amerikanerin und eines senegalesischen Piloten. Sie hat Architektur studiert und hat den Chef von SKAT an einem Symposium so überzeugt, dass er sie gewinnen konnte für SKAT zu arbeiten. Wir reden eineinhalb Stunden, wie man das Projekt aufgleisen könnte. Sie ist überzeugend, schnell, auf den Punkt, kommt gut. Sie hat allenfalls nächste Woche Zeit, sich die Schule anzuschauen. Sie ist überzeugt, dass wir etwas Zweckmässiges, Schönes, Preiswertes bauen können, alles mit Einheimischen aber mit dem Skat-Knowhow und in Schweizer Qualität. Ich gehe aufgestellt zu den Xaverianern, ein gelungener Tag, ich könnte Luftsprünge machen …
Heute Morgen geht’s ins Studio, um das Lied einzusingen. „Geht“ ist das richtige Wort. Bertin, der Kameramann, wollte mich mit dem Auto abholen, aber im Verkehr ging nichts mehr. Ich rufe ihn an, sage, dass ich ihm bis zur Hauptstrasse entgegenkomme. Die Strasse auf Muhumba, der Halbbinsel, wo all die Weissen mit den weissen Toyota Landcruisern wohnen, ist total verstopft. Autos quälen sich auf der nassen Strasse, die aus Rinnsalen, Löchern und einer schmierigen Masse besteht, vorwärts. Der Beton, der die Fahrbahn bedeckte, hat sich längst verabschiedet und wohl auch der letzte Arbeiter, der diese Strasse repariert hat. Motorradtaxis schlängeln sich zwischen den Autos durch. Auf dem schmalen Grünbraunstreifen auf den beiden Seiten balancieren wir Fussgänger uns an den Autos vorbei.
Die richtige Silbenverteilung
Das Studio ist in einem Hinterhof, Prince, der Musiker begrüsst mich. Er hat die Musik bereits eingespielt und mit den beiden Kollegen auch schon Gesang aufgenommen. Ich höre mir das Werk an, mache dann die Anregung, dass der Tonmeister Zwischenteile neu rhythmisiert, sie holpern. Eine Stunde vergeht, dann flutscht der Song.
Dann nehme ich meine Stimme auf, welche die drei bestehenden ergänzen soll. Nicht immer ganz einfach, denn manchmal kann man Silben eines Textes verschieden rhythmisieren. Beispiel: Eine Zeile des Tanzliedes heisst „ la main gauche glisse dessus“. Diesen Text könnte man zur bestehenden Melodie auf mindestens drei verschiedene Arten phrasieren:
„la main gausche gliss dessü“
„la main gosch glisse dessü“
„la main gosch (Achtelpause) gliss dessü“
Es gilt also jedes Mal die genau gleiche Rhytmisierung zu finden, eine „Nifeliarbeit“, die bei einem ganzen Lied Stunden dauern kann. Wir haben wenig Zeit, nach drei Stunden haben wir eine sosolala-Version im Kasten, bzw. im Computer. Ich bin beim Abhören der ersten Abmischung zurück in meinem Zimmer nicht ganz glücklich, warte aber mal ab, wie die Schlussmischung tönen wird. Und ich nehme die Rohdaten auf einem USB Stick mit nach Hause. Vielleicht gebe ich Rolf Stauffacher, dem genialen Tonmeister aus Frauenfeld (www.producer.ch) den Auftrag, das Ganze nachzumischen. Er hat drei unserer Galgevögel-Alben produziert und arbeitet mit vielen Grössen des Schweizer Musikmarktes zusammen (Patent Ochsner, Trauffer, Gölä).
Eine Lösung für eine alte Schuld?
Wie ich aus dem Studio komme ruft mich Venant an, ein früherer lokaler Mitarbeiter. Er sagt mir er warte in der Unterkunft schon über eine Stunde auf mich. Am liebsten hätte ich erwidert: „und wir warten seit 4 Jahren darauf, dass Du uns den Kredit zurückzahlst, den du von uns erhalten hast um ein Haus zu bauen!“ Ich verkneife es mir, vielleicht finden wir eine Lösung mit Hilfe von Sosthène Birali, der mein und auch Venants langjähriger Freund ist. Die Begrüssung ist herzlich. Ich frage Venant, warum der im letzten Jahr ausgehandelte Vertrag nicht erfüllt wurde. Mit seinem Schulleiter hatten wir besprochen, dass er Venant jeden Monat 50 Dollar vom Lohn abzieht. Dann kommen viele Erklärungen: die Kinder, die studieren, unsre Leute, die das Geld nicht abgeholt hätten. Sosthène ein geduldigerer Verhandler als ich, macht dann den Vorschlag: „Venant, Du musst die Sache jetzt endlich bereinigen, Du hast einen Vertrag unterschrieben, der besagt, dass der Verein Maendeleo Dein Haus verkaufen kann, wenn Du nicht regelmässig bezahlst. Ich schlage vor, dass Du Dein Erbe an Zahlung gibst, ein Stück Land in Ikoma, damit kannst Du die halbe Schuld tilgen, den Rest zahlst Du in monatlichen Raten“. Venant scheint nicht ganz abgeneigt. Ich mache dann den Vorschlag: „Lassen wir die Zahlungen, die Schuld ist getilgt, wenn wir im Besitz des Bodens sind und der amtlich verschrieben ist“. Venant stimmt zu, er sagt, er teile das seiner Familie mit, wir könnten das Geschäft nächste Woche abwickeln. Vielleicht klappt’s diesmal. Wir können es uns nicht leisten Tausende Franken, die dem Projekt gehören, einfach so zu verschenken.
Vielleicht wird dieser Freitag, der 13. zum Schuldentilgungsglückstag.
Zu Hause angekommen, versuche ich Fiston zu erreichen, um ihm von gestern zu erzählen, ihn zu fragen, wann er am Wochenende frei hat, damit wir die verbliebenen Tage zu planen, das Telefon schrillt, die Damenstimme am Telefon erklärt: Das Telefon ihres Korrespondenten ist ausgeschaltet oder ausserhalb des Netzes…..
Tag 12: Samstag, 14. Dezember – Erzwungener Ruhetag
Bein nächsten whatsapp-Check kurz vor sieben, erfahre ich, dass Fatou, die Koordinatorin von Skat, nicht nach Bukavu kommen kann. Ich kontaktiere sie, wir vereinbaren, dass ich am Donnerstag nach Kigali komme, und im Hauptbüro ein MoU (Memorandum of Understanding) unterschreiben kann, dass unsre Zusammenarbeit beim Bau beschreibt. „Kannst Du’s auf Französisch abfassen, dass es unsre Mitarbeiter auch lesen können“ – „klar doch, no problem“. FmF – Fatou macht Freude, denke ich.
Dann den Flug nach Kigali buchen, auch ein Hotelzimmer bei André, einem Schweizer Architekten, der seit 30 Jahren in Kigali lebt. Er hat noch ein Zimmer und schlägt vor, dass wir zusammen essen gehen am Donnerstagabend.
Und jetzt also: Ein Wochenende, wo nicht viel gehen wird, also ausruhen, Tagebuch schreiben, dann Endspurt nächste Woche, denn mir bleiben danach noch ganze drei Tage hier in Bukavu.
Tag 13: Sonntag, 15. Dezember – Ruhetag
Der Tagebuchschreiber ruht sich aus!
Tag 14: Montag, 16. Dezember – Video-Dreh « Genoux croisés »
Um 11h war abgemacht, kurz nach 12 ist die Crew zusammen: 2 Kameramänner, 3 Mann der Band, sie bringen noch einen sehr guten Tänzer mit. Da der eine Kameramann und der Tänzer das Lied noch nicht kennen, stellen wir Idee, Text, Musik vor und zeigen die Tanzfigur. Sofort versucht der Tänzer die Figur zu imitieren. Es gelingt ihm auch nach längerem Üben und Vormachen nicht, die Knie so zu bewegen, dass die Hände sich quasi unsichtbar auf den Knien kreuzen, sie bewegen sich irgendwie… Aber auch bei ihm, er möchte es lernen, es können.
Dann besprechen wir, was wir wo filmen wollen. Die Idee der Eingangs-Szene : Venez dansez la danse « genoux croisés ». Da müsste man Leute zum Tanzen bringen. Also einige tanzen die Figur zur Musik, einer animiert Leute, es uns gleichzutun. Also probieren wir das ein paar Mal, diskutieren, wie das gefilmt werden kann. Schön wäre, das Ganze auf einer belebten Strasse zu drehen, on va voir.
Zuerst drehen wir aber das ganze Lied ein paar Mal im Hof der Xaverianer, die zwei Stunden vergehen im Flug. Dann ist einiges Brauchbares im Kasten und Prince Solo, der Gitarrist, schon total erschöpft. „Mehr Sport, weniger Bier“, necke ich ihn. Alle drei Musiker haben in den 9 Jahren, seit ich sie kenne, einiges an Kilos zugelegt. Wir beschliessen, jetzt wirklich auf einer belebten Strasse filmen zu gehen. Prince darf mit dem Auto der Kameraleute fahren, die andern laufen die 20 Minuten zur Place Mulamba. Wie wir ankommen, stehen die Kameras schon, mitten auf der belebten Strasse im Abendverkehr. Autos hupen, Taxi-Motos bleiben stehen, Verkehrsstau. Wie wir zu tanzen beginnen sind rasch 30-40 Leute um uns herum. Die einen lachen, sind aufgestellt, da ist was los. Andere sind verärgert, weil sie mit ihren Autos nicht mehr durch kommen. Ein älterer Polizist erscheint. „Ou, was kommt jetzt“, denke ich. Er bleibt freundlich, möchte wohl auch sehen, was da laufen soll. Ich drücke ihm paar Scheine in die Hand, der Fall ist geklärt, wir filmen weiter. Dann kommt auch noch der Bourgermester(der Quartierchef), um sich das Ganze anzusehen. Er findet das auch gut, wir filmen, die Zuschauer versuchen, die Figur nachzumachen, einigen Jungen gelingt es sofort, also hole ich sie, tanze mit ihnen… Nach 20 Minuten haben wir gute Szenen im Kasten. Dann müssen wir die Strasse wieder dem Verkehr überlassen.
Dann filmen wir noch auf einem Haus, das noch nicht fertig gebaut ist. Wieder kommen sofort Schaulustige, Kinder, Männer, wenige Frauen. Ich versuche, Frauen zu animieren mitzumachen. Keine Chance. Nach Dreh-Ende spreche ich das Problem an, wir haben noch keine Frauen gefilmt. Stirnrunzeln, „mmh, mmh, geht nicht, da brauchen wir Geld“. „Geld wofür?“ – „Dass sie tanzen kommen, Frauen tanzen bei uns nicht“ – „damit sie doch kommen?“ „20 Dollar – pro Person“. Langes Palaver mit den Musikern, dann meint der Tänzer, dass er vielleicht zwei Frauen organisieren könne, für je 10 USD. Ich lerne wieder Neues: Die Männer tanzen, machen sofort mit, die Frauen nicht. Dann versuchter Abgang, ich drücke den Buben, die mitgetanzt haben, 1000 Francs (60 Rappen) in die Hände. Darauf will jeder, auch wenn er nur zugeschaut hat, auch sein Geld. Die Kollegen wimmeln sie ab. Wir treffen uns also morgen um 13h wieder, mit Frauen, on verra.
Nach der Arbeit kommt Buchhalter Nielsen vorbei, ich bringe ihn auf den letzten Stand. Wir einigen uns darauf, dass sich morgen unsere Leute vor Ort um 17 Uhr treffen, übermorgen reise ich schon wieder ab, vieles ist noch im Hellgrauen. Vielleicht sehen wir übermorgen trotzdem heller, wenn wir auch noch die Leute getroffen haben, die eine Solaranlage in unsrer Schule bauen könnten.
Tag 15: Dienstag, 17. Dezember – vorletzter Tag in Bukavu
Die Zeit läuft, noch zwei Tage. So um zwei sind alle Musiker eingetrudelt, wir wollen ja das Video „Les Genoux Croisées“ fertig drehen. „Und wo sind jetzt die Frauen, die auf unserm Video tanzen sollen?“ „Ah, die sind noch in der Schule, ich rufe sie an“, meint der Tänzer. Um 16 Uhr wollen sie da sein, Treffpunkt vor der grossen Kirche – am gleichen Ort, wo wir schon vor Jahren drehten für das Video zu „Blablabla“. Die zwei Ladies kommen dann doch früher, haben sich schön gemacht für ihre Video-Premiere. Prince erklärt ihnen worum es geht, sie üben, ich zeige auch nochmals, wie man die Hände überkreuzt…
Wieder bleiben viele Leute stehen, einige versuchen es uns nach zu machen. Ich denke, dass Lied und „Tanz“ funktionieren könnten, wenn das Video, das Bertin zusammenschneidet, entdeckt wird. Ein zweiter Drehort fällt nach langem Palaver ins Wasser, beziehungsweise in den Teer. Wir wollten noch auf der gesperrten Strasse drehen, dort wird asphaltiert, wir reden mit den Bauleuten. Ja, vielleicht 5 Minuten, wir lassen’s dann doch bleiben.
Letzte Sitzung mit dem Team
Ich dränge zum Aufbruch, um 17h Uhr habe ich Sitzung mit unseren Leuten. Es wird dann 18.20h, bis alle da sind. Ich werde manchmal gefragt, was ich von Afrika mitnehme. „Ich habe gelernt zu warten“, sage ich dann. Stimmt, in Afrika komme ich nach ein paar Tagen in den Warten-macht-nichts-modus. Aber schon auf dem Heimflug, z.B. in Nairobi, rege ich mich auf, wenn der Scheissflieger zu spät kommt…
In der Sitzung mit einem Juristen reden wir darüber, wie wir die Statuten unserer Organisation so anpassen können, dass wir unsre Schule dereinst übergeben können, ohne dass sie in falsche Hände geraten kann. Er will die Unterlagen lesen und dann sehen, wie viel Arbeit das gibt. Ich dränge darauf, dass er auch ganz klar sagt, was uns das Ganze kosten wird. Dann längere Diskussion, welche Aufgaben Bertin, der Videojournalist, übernehmen könnte, wenn unser Buchhalter nach Goma zieht und nur noch selten in Bukavu ist. Dann essen wir bei den Missionaren, beschliessen dann, dass wir uns morgen nochmals treffen. Ob ich noch etwas force hätte, fragt Nielsen. Mit „force“ meint er, ob ich noch Geld habe, um sie zum Essen einzuladen. Ich denke: „wäre doch schön, wenn sie mal mich einladen würden“.
Zwei Lohnwelten treffen aufeinander
Fiston und Nielsen verdienen für kongolesische Verhältnisse sehr gut, sie arbeiten beide bei internationalen NGO’s, verdienen dort im Monat etwa 30x so viel wie die Lehrer unsrer Schule, von uns erhalten sie auch noch etwa einen halben Monatslohn dazu. Ungerecht? –jedenfalls unverständlich, warum ist das so? Weil hier zwei Welten aufeinandertreffen. In der Schweiz verdient eine Primar-Lehrperson bald mal 7000 Franken, im Kongo neuerdings statt 70 immerhin 100 Franken. Wenn dieser Lehrer aus dem Norden nun in der Entwicklungshilfe arbeitet, so verdient er im Regelfall immer noch den Lohn seines Heimatlandes, also etwa 70 Mal den einheimischen Lehrerlohn. Problem jetzt: Wieviel zahlt eine internationale NGO einem lokalen Mitarbeiter, der durchaus früher auch Lehrer gewesen sein kann? 140 Franken, also den doppelten Lohn – geht wohl nicht, das wäre ja immer noch 1:35, also erhält ein lokaler Mitarbeiter vielleicht 2000 Franken Lohn. Das ist immer noch kaum ein Drittel des „Expats“ aus der Schweiz, aber 20 Mal mehr als er vorher als Lehrer verdient hat. Ungerecht?
Ich habe hier von 2008 bis 2010 als „deutscher Entwicklungshelfer“ (für Eirene Deutschland) gearbeitet, mit einem Lohn von 600 Euro, später 1000 Euro (plus Unterkunft und Auto).
Tag 16: Mittwoch, 17. Dezember – letzter Tag in Bukavu
Ich möchte nochmals eine Tour durch die Stadt machen, Leute treffen. Auf dem lokalen SKAT-Büro sind die Leute, die ich suche, nicht da. Bei Radio Maendeleo treffe ich Sosthène, er war in den Gründerjahren unsrer Schule sehr aktiv, hat sich jetzt aber stark zurückgezogen. Warum genau, erfahre ich auch in diesem Gespräch nicht. Er will aber an die Sitzung kommen. Er hat frisch geernteten Kaffee finden können, ein Weihnachtsgeschenk für einen Kaffee-Enthusiasten zu Hause, der ihn selber rösten will.
Zakars unendliche Geschichte
Dann weiter zu Zakar, dem Gitarrenbauer. Ich frage ihn, ob er die versprochene Gitarre gebaut habe. Und schon wieder beginnt er mir zu erklären, warum das leider….
Ich unterbreche ihn, schlage ihm vor, einen Text aufzusetzen. Zakar steht in unsrer Schuld. Vor 5 Jahren kam er zu uns, erzählte, der Dorfchef habe ihn gefragt, ob er einen Landtitel habe, der bestätigt, dass das Land, auf dem sein Haus steht, ihm gehört. Den hatte er nicht, weil seine Familie seit fünf Generationen hier wohnt. Das Land hatten sie damals vom Dorfchef bekommen, da gab’s nichts Schriftliches. Das weiss der jetzige Dorfchef genau, nur hat er eben einen Käufer, der Zakars Land kaufen würde.
Wir kaufen dann das Land, Zakar darf drauf wohnen bleiben. Die 1500 USD kann er zurückzahlen oder abarbeiten, indem er Gitarren baut, die wir verkaufen. Im Vertrag von damals steht auch, dass er uns die Hälfte seines Landes abtritt, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Er unterschreibt ein neues Papier, in dem er nochmals verspricht Gitarren zu bauen, und wenn es nicht klappt, gehöre das Land uns. Und was wird er wohl tun? Möglicherweise wieder nichts. Weil er darauf spekuliert, dass wir auch nächstes Jahr wieder Erbarmen haben mit dem armen Zakar und seinen 12 Kindern… Und Zakar hat grosse Vorbilder. Afrikanische Staatschefs borgen sich auch Geld von der Weltbank, zahlen dann nichts, und wenn der Schuldendienst gleich hoch ist, wie die Summe, die sie erhalten haben, hoffen auch sie, dass die Weltbank ein Einsehen hat und die Schulden erlässt. Was dann durchaus passieren kann.
Schneider Muganza
Erfreulich wie immer dann der Besuch beim Schneider Muganza. Er hat einen Kollegen zu sich bestellt, der nächstes Jahr ein Logo auf die Uniformen drucken könnte, die wir den Schülern aus Anlass des 10jährigen Bestehens schenken wollen. Wir machen ab, dass wir im Januar eine Anzahlung machen, damit Muganza Stoff kaufen kann, um zusammen mit seiner Frau 250 Uniformen zu nähen auf seiner Singer-Tretmaschine. Diese kann man in Afrika noch immer kaufen. 6 USD solle eine Uniform kosten aus Hemd/Bluse und Hose/Rock, dazu 1 USD für das Logo.
Sauberes und dreckiges Geld
Warum schreibt der eigentlich ich immer von USD, also amerikanischen Dollars, denken Sie vielleicht. Der Kongo hat seit der Zeit von Mobutu zwei Währungen. Als er 1971 den Kongo in Zaïre umbenannte, führte er auch eine neue Währung ein: den Zaïre. Ein Zaïre entsprach damals einem Dollar. Durch Mobutus Miss- und In-die-eigene-Tasche-Wirtschaft fiel der Kurs. Mit dem Verschwinden Mobutus verschwand auch der Zaïre, er wurde zum Franc congolais (FC) und der Kurs sank weiter. Als ich 2008 in den Kongo kam, gab es für einen USD 900 francs congolais, der Kurs blieb einige Jahre stabil, im Dezember 2019 erhalte ich für einen Dollar 1600 FC. Das führt dazu, dass man im Kongo kleine Ausgaben in FC tätigt, grössere in USD.
Die Kongofranken trägt man in einem Bündel in der Tasche, sie gehen durch Tausende Hände und bleiben so lange im Umlauf, bis man auf den lampigen Papierfetzen mit dem typischen Geldgeruch eigentlich gar nichts mehr erkennen kann.
USD hingegen dürfen nicht das kleinste Risschen haben. Geprüft wird das dann, indem man den Schein sieben Mal dreht, gegen die Sonne hält auf der Suche nach einem Makel. Entdeckt man das klitzekleinste Risschen, gibt man den Schein dem Muzungu empört zurück. Dieser gewöhnt sich daran und verlangt in der Schweizer Bank ausdrücklich neue ungebrauchte Scheine, tja Ordnung muss ein.
Während ich das schreibe, mit Blick auf den Kivu See, ist es 17 Uhr vorbei, wir hatten ja gestern abgemacht 17 Uhr, nespa, und im Kongo kann ich ja warten!
Naja, 18 ist doch auch gut. Wir diskutieren ein letztes Mal, Aufgabenverteilung, Kommunikation mit uns in der Schweiz. Wir haben auch Barton eingeladen, er ist Cheftechniker bei Radio Maendeleo. Er hat schon viele Solar-Anlagen installiert, er ist bereit, sich der geplanten Anlage bei uns anzunehmen. Willkommen in der Familie Milondola, Barton!
Dann Abschiedsessen beim Inder, „meine“ Kongolesen hätten wohl lieber Fufu, Mais- oder Maniokpaste… Nach erstem Zögern langen sie dann doch zu. Heimfahrt in Fistons neuem Auto, ein imposanter SUV, passt hierher, denn ohne Allradantrieb wäre es nicht möglich, zu unsrer Schule zu fahren. Als Personen- und Warentransporter ist die Karre ideal. Herzlicher Abschied.
Tag 17: Donnerstag 19. Dezember – nach Kigali
Schon kurz nach 6 Uhr steht Nielsen vor der Türe, mit allen Rechnungsbelegen für 2019 und um halb sieben – früher als abgemacht – kommt auch Bertin, um mich zum Flughafen Kamembe in Ruanda zu fahren. Flug über die prächtige Seen- und Hügellandschaft nach Ruandas Hauptstadt Kigali. Der DEZA-Chef nimmt mich dann mit ins Zentrum, ich steige ab im Hotel von André Tanner, einem Schweizer Architekten, der seit Jahrzehnten in Kigali wohnt und arbeitet. Am Nachmittag werde ich abgeholt von einem Fahrer von SKAT. In der SKAT-Zentrale, einer weissen Villa, besprechen wir das Bauvorhaben mit Fatou und zwei ihrer Mitarbeiter, Jean-Martin und Pierre. Fast zwei Stunden dauert die Diskussion, wir kommen zum Schluss, dass unsere Finanzen nur reichen, um eine Erweiterung für die Schule zu bauen. Der grosse Saal, von dem die Leute in Ikoma träumen, liegt nicht drin. Wir beschliessen, dass sich Jean-Martin und Pierre im Januar die Schule ansehen, danach entscheiden wir gemeinsam, wo das neue Gebäude zu stehen kommt auf dem Land, das wir dazu kaufen konnten. Dann entscheidet sich auch, welche Geländearbeiten nötig sind, damit aus der alten Anlage und dem zugekauften Land eine Einheit wird.
Herzlicher Abschied, am Abend gehe ich essen mit André beim Indonesier, die Portionen sind riesig, André lässt die Resten einpacken, die geben noch ein Nachtessen für seine Wächter.
Tag 18: Freitag, 20. Dezember – Smartphone Made in Rwanda, Heimflug
Am Morgen Erwachen in der gepflegten Hotelanlage, Vogelgesang, Zmorge-Service durch Anatol: ein gertenschlanker, diskreter, zuvorkommender älterer Herr, weisse Bluse, akkurat gebügelte schwarze Hose, wie aus einem Film aus der Kolonialzeit. Er arbeitet seit über 20 Jahren als Frühstückskellner für André, steht um vier Uhr auf, ist dann zwei Stunden zu Fuss unterwegs zum Hotel, richtet alles perfekt her für den Gast, brät das bestellte Omelett, räumt alles auf verabschiedet sich von mir: „Bis zum nächsten Jahr“.
Dann noch in die Stadt, ich finde einige Geschenke für zu Hause und erstehe ein Smartphone für Freund Ruedi. Es ist nicht irgendein Smartphone, sondern das erste Smartphone „Made in Afrika“, in Ruanda. Auf dem Flughafen kaufe ich noch einen Whisky, ebenfalls „Made in Ruanda“. In diesem Land geht etwas, Präsident Kagame hat Visionen, wie er sein Land entwickeln will und er setzt seine Pläne um, mit grosser Konsequenz. Vor einem Jahr sagte ein Insider: „Ja, es geht voran in Ruanda, aber es verschwinden zu viele Leute!“ Dann zum Flughafen in einem VW Passat, auch Made in Ruanda. Ruhiger Heimflug – out oft Africa…